Roman. Milano
Die 27 jährige Val ist Künstlerin, Zeichnerin und hat Architektur studiert. Aber nur das Zeichnen bedeutet ihr wirklich etwas. In ihren Zeichnungen drückt sie sich aus und verarbeitet ihre Gedanken.
Aufgewachsen in der Nähe von Skien in Norwegen, hat sie sich in Oslo in den wesentlich älteren Kunst Kurator Paolo verliebt und ist ihm kurz entschlossen nach Mailand oder Milano gefolgt. Paolo liebt sie sehr, wenngleich er sich nicht von seiner Frau, von der er schon viele Jahre getrennt lebt, scheiden lassen will. Das kränkt Val und immer wieder wirkt sie auf ihn ein, bis er es eines Tages selbst einsieht und er diesen Schritt unternimmt. Es entsteht ein Verhältnis für die beiden, wie es besser nicht sein könnte.
Jedoch Val kämpft mit den Schatten ihrer Kindheit. Ihre Eltern haben sie im Alter von 3 Jahren verlassen, um in die USA zu gehen und dort Karriere zu machen. Ihre Tante Siv kümmert sich um Val so, als wäre sie ihr eigenes Kind. Aber der Makel bleibt an Val hängen. Sie fragt sich ständig, warum die Eltern sie alleine gelassen haben, sie gibt sich selber die Schuld, fühlt sich minderwertig. All diese Gedanken treiben sie in Milano um. Sie durchstreift die Stadt, immer auf der Suche nach Antworten. Sie beschäftigt sich mit der Geschichte der Stadt, mit den Spuren des Faschismus in Italien und mit den Gebäuden aus den verschiedenen Jahrhunderten. Und natürlich mit der Kunst, die in Italien überall zu finden ist. Ihre überbordende Fantasie erfindet für 2 Menschen, die sie gesehen hat, immer wieder neue Geschichten, mit denen sie letztendlich nur ihre eigene Geschichte versucht aufzuarbeiten. Auch ihre Sehnsucht nach der nordischen Heimat und Tante Siv kommt immer wieder durch.
Mit dem Stil dieses Buches muss man sich anfreunden. Es gibt Sätze, die sich über eine halbe Buchseite erstrecken und man muss erst lernen, wann die beschriebene Geschichte tatsächlich geschehen ist und wann sie Vals Fantasie entsprungen ist. Entstanden ist eine psychologische Studie einer verstörten Seele mit einer schwierigen Kindheit auf der Suche nach Nähe und Bestätigung.
Hanne Ørstavik, geb. 1969 in Tana (Nord Norwegen) ist eine der profiliertesten norwegischen Gegenwartsautorinnen. Ihre Bücher wurden mit vielen Literaturpreisen ausgezeichnet.
Rezension: Angelika Steinhäuser
Hanne Ørstavik
Roman. Milano
Aus dem Norwegischen ( mit gleichem Titel) von Andreas Donat.
Karl Rauch Verlag GmbH und Co, Düsseldorf, 2020, 365 Seiten
ISBN 978-3-7920-0266 7
Preis: € 24,00